Gedichte

Mit sechzehn Jahren begann ich  Gedichte zu schreiben. Ich verfasste Lyrik, die sehr treffend meine schon damals kritische Sicht widerspiegelte. Diese Gedichte wurde bereits in dem Buch "Da ist ein drängen in mir", zusammen mit anderen Autoren, sowie auf Ausstellungen mit den dazugehörigen Bildern und Videos veröffentlicht. Meine neueren Werke entstanden im Wechselspiel meiner Aquarelle. Bild und Text sind dabei als ein Gesamtwerk zu betrachten. 

Gegen der Uhrzeigersinn

 

Wir verhöhnten die kleinköpfigen Blicke 

der starr sitzenden Abstinenzmoral

mit ihrem vakanten Nächstenschein.

Bitter lachenden Atems

schlossen wir die Tür.

Endlich zählen wir das Licht wie Münzen,

endlich

färben wir die gefallenen Salzperlen

mit Smaragd,

hetzen den animalischen Blick gegen das Leid,

bis der Seelenkraft Reißzähne wachsen

und der fragende Schlund

sich dir entgegen dreht:

 

" Wie tief wohnst du in dir?"

 

Eva Graudenz 1998

Incantation

 

Wir produzieren stetig Leid,

um es von und zu schieben,

in der Hoffnung, dass es an Gewicht verliert:

verleugnen,bagatellisieren alles was nicht seien darf.

Alles was unseren schillernden Spiegel schadet,

betiteln wir als Übertreibung, als krank.

 

Doch die Tatsächlichkeit ließ sich dadurch nicht verdammen.

Sie bäumte sich auf, zu einem tobenden Wasser,

wollte uns fassen, uns vernichten,

uns  selbstgekrönten Götter der Ignoranz.

Sie schlug gegen uns mit mehreren Wellen,

wie ein stetiger Tsunami, tagein, tagaus.

 

Wir atmen immer noch hilflos ihre flimmernden Wellen,

das Korn der bitteren Incantation schmeckend.

Unbelehrbar sind wir dennoch

auf unser persönlichen Vorteil aus.

Um unsere innere Gier jetzt noch mehr zu beflügeln,

lügen und betrügen wir mehr als zuvor.

 

Doch ohne Entkommen beugt uns weiter der rasante Dämon,

so, wir wir unsere verleugneten Opfer quälten,

keuchen wir vor unserer eigenen Nichtigkeit.

Es zieht uns ins unerforschte Dunkel

unserer grausam fiebernden Seele,

wir schnüren das Leben aus.

 

Stumm müssen wir, die auf uns zeigenden Tentakel ertragen,

lassen uns weiter in unsere Finsternis ziehen,

zu dem dämonischen Tier, hinter der Maske,

das in uns wohnt,

das Tier, welches wir selbst beschworen haben,

 

mit unserer eigenen Arroganz!

 

Eva Graudenz  2022

Glaube 

 

Als sich das Leben änderte, über Nacht,

wollten wir, dass alles so bleibt.

Es war unbequem den Rhythmus im Dunkeln zu ändern,

doch wir taten es trotzdem.

Nur die Faulen weigerten sich.

Sie glaubten lieber gemeinsam an etwas anderes.

 

Zu schnelle Münder, mit zu grellen Worten,

beschuldigten, begründeten Opferlämmer statt Fakten;

schlugen so lange Hetze,

bis ein dämonisches Tier in deren Augen drang.

 

Sie pferchten sich in eine Masse zusammen

und meinten sie hätten endlich Macht.

Da sie dabei alle nur das eine Lied des Köders sangen,

fühlte sich jeder einzelne endlich stark.

 

Doch tatsächlich schluckten sie nur die Krumen von Instantlügen,

wie der Karpfen das Brot an der Schnur.

Waren Zombies ohne Hoffnung,

nur Futter für ein narzistisches Tier.

 

Ich brauchte in dieser Zeit keine Köder.

Ich bin weder dumm, blind , taub noch stumm,

dennoch voller Mitgefühl.

Auch mein Gepäck wurde in der Pandemie immer schwerer

und ich musste vieles  im Alltag ändern,

hielt jedoch immer an meinen Träumen fest.

 

Mein innerer Glaube half mir alles weiterzutragen.

Heraus aus der Dunkelheit von Herrschaftsgefügen,

aus meiner eigenen Schwärze.

Ich musste Freiheit begreifen,

als Mut und Entscheidung zu mir.

 

2022/ Eva Graudenz